Arthur Schopenhauer(1788 -1860)

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Schopenhauer - von seinen Freunden also vermitlich "Atze" genannt - kam aus Danzig; sein Humor war also eher norddeutsch-verhalten und ist nicht immer umstandslos unmittelbar einsichtig.

Das aus dem Nachlas erschienene Die Kunst, Recht zu behalten (hier online) ist ein schmales Bändchen; 128 Seiten gross gedruckt, mit allerlei Fussnoten und Nachbemerkungen. Was ja nichts schlechtes ist, aber das Zitieren schwierig macht. Damals wie heute ist es zunächst wichtig. sich einen bedeutungsvoll klingenden Namen anzuschaffen. Damals nicht englisch und damals kein Akronym, sondern schlicht griechisch-römisch ... von der Eristische Dialektik.

Eristische Dialektik ist die Kunst zu disputieren, und zwar so zu disputieren, daß man Recht behält, also per fas et nefas.

Arthur Schopenhauer Die Kunst, Recht zu behalten Seite 19 (hier online)

Der Kern des Werkes ist also ... überschaubar und besteht aus 38 Kunstgriffen", wie "man" in Diskussionen Recht behält.
Es geht also nicht darum, das Rechte zu erkennen, sondern nur darum, wie wie "man" den redlich an Ver-Ständnis und Er-Kenntnis interessierten Armen Willie über den Tisch zieht - vollsülzt, zulabert, besoffen quatscht. Im wesentlichen geht es Atze bei seinen Zaubertricks um die Ablenkung vom Wesentlichen.

Uns Heutigen erscheint vielleicht als Mangel, dass Atze die Freuden der Statistik so gar nicht behandelt. Es ergibt sich aber der Vorteil, diee Tricks in eigenständigen Werken kennenzulernen - ich empfehle da Gerd Bosbach

Mein persönlicher Liebling unter Schopenhauers Kunstgriffen ist die Nummer 16. (Tatsächlich liegt hier auch der Grund, die Beschäftigung mit Schopenhauer zetlich vorzuziehen.)

Welche Stadt hat die höchste Kriminalitätsrate?
[...]
Und da it der Spitzenreiter die Citta del Vatticano, die Vatikanstadt.
[...]
Wie ist das möglich?
Das liegt an der Definition. Die Anzahl der ermittelten Delikte (beziehungsweise der eingeleiteten Strafverfahren) n einer Stadt getelt durch deren Einwohnerzahl ergibt die Kriminalitätsrate. Bei rund 18 Millionen Pilgern unns Touristen , die jährlich den Vatikan aufsuchen, kommt es auch zu vielen Diebstählen, Betrügereien uns Ähnlichem. Und die werden in dieser rechnung auf die knapp fünfhundert offiziellen Einwohner der Vatikanstadt umgelegt. Leider ist dieses Beispiel für Irreführung durch Statistik kein theoretisches. Beim Berechnen der sogenannten Ausländerkriminalität verfahren deutsche, österreichische und schweizer Nationalisten auf dieselbe Art: Sie legen alle von ausländischen Touristen gegangenen Diebstähle auf die ansässige Bevölkerung um und tun rechnerisch so, als hätten die ansässigen Bürger ausländischer Herkunft diese Taten begangen.

Gerd Bosbach Lügen mit Zahlen. Wie wir mit Statistiken manipuliert werden. Seite 9f Heyne, München 2011

Atze geht von einem (Streit-)Gespräch aus - was den Armen Willie in die Zwangslage versetzt, jeweils erkennen zu müssen, welchen Kunstgriff sein Gegenüber gerade anwendet, um sich - währenddessen! - mit Atzes vorgeschlagene Abwehrtaktik einleiten zu können: Schlagfertigkeit lässt sich auch simulieren.

Kunstgriff 01 - Erweiterung

Kunstgriff 02 - Homanyme

Kunstgriff 03 - Verallgemeinerung

Kunstgriff 04- Prämissen-Verstreung

Kunstgriff 05 -

Kunstgriff 06 -

Kunstgriff 07 -

Kunstgriff 08 - Den Gegner zum Zorn reizen
Kunstgriff 36 Den Gegner durch sinnlosen Wortschwall verdutzen, verblüffen

Kunstgriff 09 -

Kunstgriff 10 -

Kunstgriff 11 - 

Kunstgriff 12 - 

Kunstgriff 13 - 

Kunstgriff 14-

Kunstgriff 15 -

Kunstgriff 16 - Verschwörungstheorie und  Blutgrätsche: argumentum ad hominem

Von einer sogenannten Blutgrätsche spricht man, wenn mit voller Absicht der Gegenspieler getreten wird, ohne dass eine Chance besteht den Ball zu treffen. Dies wird als grobes Foulspiel geahndet. Dem Foulenden kommt es dabei nicht darauf an, den Ball zu treffen. Da der foulende Spieler eine Verletzung seines Gegenspielers in Kauf nimmt, wird ein solches besonders grobes Foulspiel zumeist mit der Roten Karte geahndet.

Blutgrätsche bei wikipedia

Der Gegner behauptet, dass p.
Der Gegner ist inkonsequent/dumm/unfähig/unwahrhaftig/selbstsüchtig.
Daher: p ist abzulehnen

argumentum ad hominem bei wikipedia

Mich entzückt das "Daher". Was für eine Logik!
(Ausserdem kommt mir die Konstruktionsmethode irgendwie bekannt vor.)

Hier wird deutlich,dass es hier nicht auf das Argument, ja nicht einmal auf dessen Darbietung ankommt, sondern ... Völlig losgelöst - von der Erde ... eben nur auf dem Themenwechsel: Diskutiert wird nicht mehr über p, sondern über die Unzulänglichkeiten, und zwar die des  des Armen Willie.

Den Armen Willie trifft diese spezielle Form meist völlig überraschend - er kriegt den Themenwechsel gar nicht mit.

Mit ein wenig Übung ist ein solcher ... Gesprächspartner ... aber leicht zu entlarven.

Zu unterscheiden sind die zwei Gruppen "Gehn Sie doch nach drüben!" und

"Verschwörungstheorie!". Im ersten Fall tritt ein Person (direkt oder indirekt) auf; im zweiten Fall gibt es nur ein noch Stichwort.(Sie leiden wokl unter Verfolgungswahn! fällt ja, wegen des Sie, in die erste Gruppe.) Aber in der zweiten Gruppe - da müsste man eine Liste pflegen - aber bitte alle Beispiele mit Ausrufezeichen am Ende. Ich habe da schon Risikoscheu! gehört, oder Freiheitsangst!. Mein umbestrtten schönstes Beispiel ist Vollkaskomentatlität! - Rundum-Sorglos-Paket! ist da schon fast harmlos.

Kunstgriff 17 -

Kunstgriff 18 -

Kunstgriff 19 -

Kunstgriff 20 -

Man kann nämlich in der Sache selbst objective Recht haben und doch in den Augen der Beisteher, ja bisweilen in seinen eignen, Unrecht behalten. Wann nämlich der Gegner meinen Beweis widerlegt, und dies als Widerlegung der Behauptung selbst gilt, für die es jedoch andre Beweise geben kann; in welchem Fall natürlich für den Gegner das Verhältnis umgekehrt ist: er behält Recht, bei objektivem Unrecht. Also die objektive Wahrheit eines Satzes und die Gültigkeit desselben in der Approbation der Streiter und Hörer sind zweierlei. (Auf letztere ist die Dialektik gerichtet.)

Arthur Schopenhauer Die Kunst, Recht zu behalten Seite 20 (hier online)

Woher kommt das? – Von der natürlichen Schlechtigkeit des menschlichen Geschlechts. Wäre diese nicht, wären wir von Grund aus ehrlich, so würden wir bei jeder Debatte bloß darauf ausgehn, die Wahrheit zu Tage zu fördern, ganz unbekümmert ob solche unsrer zuerst aufgestellten Meinung oder der des Andern gemäß ausfiele: dies würde gleichgültig, oder wenigstens ganz und gar Nebensache sein. Aber jetzt ist es Hauptsache. Die angeborne Eitelkeit, die besonders hinsichtlich der Verstandeskräfte reizbar ist, will nicht haben, daß was wir zuerst aufgestellt, sich als falsch und das des Gegners als Recht ergebe. Hienach hätte nun zwar bloß jeder sich zu bemühen, nicht anders als richtig zu urteilen: wozu er erst denken und nachher sprechen müßte. Aber zur angebornen Eitelkeit gesellt sich bei den Meisten Geschwätzigkeit und angeborne Unredlichkeit. Sie reden, ehe sie gedacht haben, und wenn sie auch hinterher merken, daß ihre Behauptung falsch ist und sie Unrecht haben; so soll es doch scheinen, als wäre es umgekehrt. Das Interesse für die Wahrheit, welches wohl meistens bei Aufstellung des vermeintlich wahren Satzes das einzige Motiv gewesen, weicht jetzt ganz dem Interesse der Eitelkeit: wahr soll falsch und falsch soll wahr scheinen.

Arthur Schopenhauer Die Kunst, Recht zu behalten Seite 20f (hier online)

Jeder also wird in der Regel wollen seine Behauptung durchsetzen, selbst wann sie ihm für den Augenblick falsch oder zweifelhaft scheint. Die Hilfsmittel hiezu gibt einem jeden seine eigne Schlauheit und Schlechtigkeit einigermaßen an die Hand: dies lehrt die tägliche Erfahrung beim Disputieren; es hat also jeder seine natürliche Dialektik, so wie er seine natürliche Logik hat. Allein jene leitet ihn lange nicht so sicher als diese. Gegen logische Gesetze denken, oder schließen, wird so leicht keiner: falsche Urteile sind häufig, falsche Schlüsse höchst selten. Also Mangel an natürlicher Logik zeigt ein Mensch nicht leicht; hingegen wohl Mangel an natürlicher Dialektik: sie ist eine ungleich ausgeteilte Naturgabe (hierin der Urteilskraft gleich, die sehr ungleich ausgeteilt ist, die Vernunft eigentlich gleich). Denn durch bloß scheinbare Argumentation sich konfundieren, sich refutieren lassen, wo man eigentlich Recht hat, oder das umgekehrte, geschieht oft; und wer als Sieger aus einem Streit geht, verdankt es sehr oft, nicht sowohl der Richtigkeit seiner Urteilskraft bei Aufstellung seines Satzes, als vielmehr der Schlauheit und Gewandtheit, mit der er ihn verteidigte. Angeboren ist hier wie in allen Fällen das beste [Fußnote]: jedoch kann Übung und auch Nachdenken über die Wendungen, durch die man den Gegner wirft, oder die er meistens gebraucht, um zu werfen, viel beitragen, in dieser Kunst Meister zu werden.

Arthur Schopenhauer Die Kunst, Recht zu behalten Seite 20f (hier online)

Also wenn auch die Logik wohl keinen eigentlich praktischen Nutzen haben kann: so kann ihn die Dialektik allerdings haben. Mir scheint auch Aristoteles seine eigentliche Logik (Analytik) hauptsächlich als Grundlage und Vorbereitung zur Dialektik aufgestellt zu haben und diese ihm die Hauptsache gewesen zu sein. Die Logik beschäftigt sich mit der bloßen Form der Sätze, die Dialektik mit ihrem Gehalt oder Materie, dem Inhalt: daher eben mußte die Betrachtung der Form als des allgemeinen der des Inhalts als des besonderen vorhergehn.

Arthur Schopenhauer Die Kunst, Recht zu behalten Seite 23f (hier online)